Sehr geehrter Herr Tromp,
sehr geehrte Damen und Herren,
das German Pest Control Board (GPCB) ist ein Arbeitskreis der führenden Unternehmen (Anticimex, APC AG, hentschke + sawatzki Chem. Fabrik GmbH, Rentokil Initial) der Schädlingsbekämpfung in Deutschland.
Aufgabenstellung und Ziel des Arbeitskreises ist es, die für die Branche zentralen Fragestellungen und Herausforderungen zu Themen der Technik / Umwelt / Bildung / Recht / Politik frühzeitig zu erkennen, um bei Bedarf im Sinne der Branche und ihrer Kunden zu agieren.
Der Entwurf der IFS PC Guideline Version 2 bildet unserer Auffassung nach nicht objektiv den Stand der Technik der Schädlingsbekämpfung in Deutschland ab. Dieser Leitfaden liest sich eher wie eine Werbebroschüre einer Firma mit deren Schwerpunkten und Marktplatzierungen. In der Praxis bewährte, von der nationalen Zulassungsbehörde (BAuA) registrierte, und /oder zugelassene und aktuell notwendige Biozide werden nicht nur nicht erwähnt, sondern als überflüssig, gar schädlich dargestellt.
Die regelmäßige, persönliche und je nach Betrieb individualisierte Betreuung durch ausgebildete Schädlingsbekämpfer wird so dargestellt, dass sie zu Gunsten automatisierter Monitoring- und Bekämpfungssysteme weichen kann und soll. Selbstverständlich sind auch solche Bekämpfungssysteme ein Teil des „Werkzeugkastens“ und unserer aktiven Tätigkeiten, sich aber nur darauf zu verlassen greift zu kurz und gefährdet potentiell die Lebensmittelsicherheit. Für die Hygienesicherheit in Lebensmittelbetrieben bedarf es der Kombination aller mechanischen, physikalischen und chemischen Monitoring- und Bekämpfungsmethoden, gepaart mit dem Wissen von geschultem Fachpersonal (aktives, visuelles Monitoring). Das synergistische Zusammenspiel der Methoden macht erst die Qualität eines Schutzsystems aus und liefert dem Lebensmittelbetrieb die benötigte und zu Recht geforderte Sicherheit, nicht das Fokussieren auf eine einzige Methodik.
Uns sind außer dem im Prolog benannten Vertreter weder Firmen noch Organisationen und Verbände aus unserer Branche bekannt, die an diesem Entwurf aktiv beteiligt oder mitgewirkt haben. Das lässt den Schluss zu, dass hier aus uns nicht bekannten Gründen nur einige wenige Meinungen eingeflossen sind. Die Sichtweise auf die Thematik ist dadurch sehr eingeschränkt und eine repräsentative Darstellung des Standes der Technik bezüglich Schädlingsbekämpfung in Lebensmittelbetrieben ungenügend dargestellt.
Sehr eindeutig spricht sich der Entwurf gegen die chemische Bekämpfung generell aus. Es wird angedeutet, dass digitale Köderstationen effizienter seien und deshalb die bessere Wahl. Die Pauschalisierung, digital verbundene Fallen fangen die Zieltiere schneller, während “offline” Ködersysteme von ihnen gemieden würden, ist lediglich behauptet, auch hier bleibt der Autor dem Leser und späterem Anwender die empirisch belegbaren Beweise schuldig.
Es ist auch unverständlich, dass die von der nationalen Zulassungsbehörde BAuA anerkannte und zugelassene „befallsunabhängige Dauerbeköderung“ nicht erwähnt wird, dafür aber das ohnehin verbotene/nicht zugelassene „Permanent Baiting“ oder das „Ködermonitoring“, Hier sind Irritationen in der Praxis vorprogrammiert da Auditoren und Verantwortliche in Lebensmittelbetrieben diese Begrifflichkeiten evtl. nicht zweifelsfrei richtig zuordnen werden.
Der Schutz der Umwelt ist richtig und wichtig! Der vorliegende Entwurf stellt manches in einem überzogenen miss zu verstehen Kontext dar. Beispielsweise auf Seite 8, Abbildung 3.: eine Station mit wirkstoffhaltigen Ködermaterial im Innenbereich, genauer gesagt im Siloraum, soll Nichtzielorganismen gefährden? Die fachliche, empirisch belegbare Begründung für diese Behauptung bleibt der Autor schuldig. Des Weiteren Abb. 4 auf Seite 8.: Hier wird eine nicht sicher verschließbare „Plastikbox“ gezeigt, die in der professionellen Schädlingsbekämpfung seit langem keinesfalls im Außenbereich, sondern maximal in ver-/ abgeschlossenen Räumen verwendet wird. Der größte Teil der Bekämpfungsmaßnahmen mit Rodentiziden findet im Innenbereich statt.
IPM (Integrated Pest Management) steht für eine ganzheitliche Betrachtung aller möglichen Methoden und fordert somit eine Risikobewertung aller Systeme inklusive mechanischer und digitaler Systeme, die hier fehlt.
Insgesamt ist eine ausgewogene Darstellung zu begrüßen, die dem Lebensmittelbetrieb und dem Dienstleister Raum für objektbezogene Entscheidungen lässt. Wichtige Aspekte, wie Gesundheits- und Vorratsschutz, Lebensmittelsicherheit und Betriebsimage werden nicht beachtet, sondern einzig dem Umweltschutz und einer Produktplatzierung untergeordnet. Diese Gewichtung eines Leitfadens für die Lebensmittelbranche irritiert, hier ist eine Kurskorrektur des vorliegenden Entwurfes mehr als angezeigt.
Bei manchen Abbildungen fehlen die nötigen Zusatzinformationen, wie Schadnagerart, Anzahl der Kontrollstellen usw., um zu belegen, wie es zur Erstellung kam. Die Tabelle Fig 27 auf Seite 17/18 liest sich wie ein Direktvergleich mehrerer Systeme, dabei wird bei genauerem Hinsehen deutlich, dass nur ein einziges Produkt im Rahmen eines allgemeingültigen Leitfadens „beworben“ wird..
In der vorliegenden Form irritiert der Leitfaden, und stellt aus unserer Sicht in keiner Weise eine adäquate fach- und sachgerechte Schädlingsbekämpfung auf dem Stand der Technik dar.
Erfolgreiche Schädlingsbekämpfung braucht Vielfalt, das fordert schon das Konzept des IPM (s.o.) und fachlich fundierte gute Schädlingsbekämpfer/innen.
Zitat Umweltbundesamt: “Ein/e gute/r Schädlingsbekämpfer/in kann umfassend über verfügbare Bekämpfungsstrategien beraten und kann verständlich erklären, was, warum und von wem zu tun ist, um das Problem zufriedenstellend zu lösen.”
Wir brauchen für die Lebensmittelbetriebe sichere (in jeder Hinsicht, auch IT-Sicherheit), praktikable und auf den Prinzipien des IPM sowie der Nachhaltigkeit aufbauende Schädlingsbekämpfung mit entsprechendem Fachpersonal, um den Herausforderungen der nächsten Jahre adäquat begegnen zu können.
Dieses funktioniert nach unserer tiefsten Überzeugung nur im Dialog, den wir hiermit gerne anbieten.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr GPCB
30.03.2022
info@gpcb.eu